Seit jeher ist die bezaubernd schöne Welt der „bleichen Berge“, wie die
Dolomiten
auch genannt werden, Ursprung von Mythen, Erzählungen und Legenden – ein einzigartiger
Lebensraum, der vom Einklang zwischen Tier,
Pflanze, Mensch und der Allgegenwart des
weltbekannten Dolomit-Gesteins geprägt ist.
Teil dieses Lebensraums sind, wie könnte es
anders sein, auch außergewöhnliche Menschen mit
noch außergewöhnlicheren Geschichten, wie etwa
jene des Felsenverstehers Georg Kandutsch oder
der Enzian-Tresl. Die Toblacherin mit dem
bürgerlichen Namen Theresia Kröll zog es ein
Leben lang in die Berge, um Kräuter zu sammeln.
Aus Enzian & Co. fertigte sie geheimnisvolle
Heilsäfte und Schnäpse, die sie im Dorf
verteilte…
In Zusammenarbeit mit
dem Südtiroler Historiker und Buchautor Michael Wachtler
starten wir unsere mehrteilige Serie zum Thema Leben in den Dolomiten und wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen!
Teil 1: Die großen Mythen – Anderswelt und die bleichen Berge
Die Menschen interessierten sich immer schon für
die Welt hinter dieser Welt.
Sie versuchten, sie zu deuten und zu lösen.
Theorien wurden erarbeitet und zum
Allgemeingültigen erklärt. Um dann wieder durch
neuem Glauben ersetzt zu
werden.
Die Bleichen Berge: Es war
einmal ein Königssohn in den Dolomiten,
dem erschien im Traum eine Prinzessin, welche
aber auf dem Mond lebte. Sie verliebten sich,
doch die dunklen, düsteren Berge machten die
Prinzessin schwermütig und sie erkrankte
lebensgefährlich. Was ihr fehlte, war das
strahlende Mondlicht. Wie der
Königssohn eines Nachts unruhig umherirrte,
begegnete er einem Zwergenkönig.
Im Gespräch klagte dieser ihm, dass das
Zwergenvolk von den Menschen vertrieben worden
sei. Auch der Königssohn erzählte ihm sein Leid.
Als der König der Zwerge ihm vorschlug, er sei
imstande, die Prinzessin von ihrer Schwermut zu
heilen, wenn er für immer hier leben dürfte,
willigte dieser sofort ein. Schon in der
darauffolgenden Nacht begannen Hunderte
von Zwergen die dunklen Berge mit
Mondlicht zu umspinnen, bis jede Zinne und jeder
Fels in einem bleichen Weiß erstrahlte. Das ist
der Grund, weshalb die Dolomiten im Gegensatz zu
anderen Bergen diese typische bleiche Farbe
haben.
Teil 2: Crodères - Die Felsensöhne
Steinerne Herzen trugen die Crodères.
Sie waren Menschen, trugen
Bärte und lange Haare, doch eines hatten sie
nicht: Sie spürten weder Freude noch
Leid, weder Schmerzen noch Glück. Ihr
Herz war aus Stein. Tanna hieß ihre
Königin. Mit Absicht taten sie den
Menschen nie etwas zuleide, doch sie halfen auch
niemandem. Nur einmal im Jahr am „stillen
Tag“ ruhten sie und kein Stein und
keine Lawine rollte über die Felsgipfel.
Nur dieser Tag war der Tag des Menschen.
Gar manchem Menschen war es oft eingefallen, in
wahnwitziger Art und Weise, die Natur zu
überlisten. Man baute Häuser und Mauern bis in
die höchsten Felsen. Lange Zeit ließen die
Crodères versteinerten Blickes gewähren, doch
eines Tages schlugen sie zurück.
Tausende Felsblöcke rasten zu Tal und
gewaltige Lawinen fuhren mit Urgewalt
dazwischen und brachten Tod und Verderben.
Teil 3: Von Aurona und Samblana
Zahlreich sind die Sagen, die sich um die
Bergwelt der Dolomiten ranken. Und dabei hat
jedes Volk, das in den Dolomiten lebte und
nahezu jeder Berg seine eigenen Märchen. Vom
Land des Goldes und von der
Winterkönigin handeln die nachfolgenden
Sagen.
Aurona, das Land des Goldes und der
Lichter: Es gab nichts Schöneres als
das unterirdische Reich Aurona. Die Höhlen waren
voll von Gold und unschätzbaren Edelsteinen. Aus
den Quellen floss goldenes Wasser, und sogar die
Tiere hatten goldene Zähne. Doch die Menschen
konnten niemals die Sonne erblicken. Der König
hatte nämlich einen Vertrag geschlossen, dass er
auf das Leben außerhalb verzichte. Eines Tages
brach ein Stein von der Höhlenwand und zum
ersten Mal erblickten die Bewohner das
Tageslicht, mit den Wiesen und Bergen. Die
Einwohner eilten in diese neue, viel schönere
Welt und ließen all ihre Schätze zurück.
Samblana, die Winterkönigin:
Samblana wollte das schönste Kleid auf Erden
besitzen. Doch die Menschen wandten sich ob
diesem Hochmut von ihr ab. So zog sie sich in
die »Gläsernen Berge« zurück, wo das ganze Jahr
über nur Eis und Schnee herrschen. Alsbald fing
ihr Schleier in das Eis des Berges
hineinzuwachsen, so dass sie sich nicht mehr
bewegen konnte. Eines Tages kamen
Zwillingsschwestern und brachten einen
wunderschönen blauen Stein, die “Rajetta”, mit.
Samblana ließ sich daraus einen Spiegel machen,
so dass sie imstande war, das letzte Licht der
Wintersonne in die äußersten Winkel der Täler zu
lenken. Die beiden »Yemeles« jedoch erkor sie
aus, jenen Menschen zu helfen, die in den Bergen
in Gefahr gerieten.
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